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Versicherungen für Frauen in Vietnam zugänglich machen!

Was veranlasst einen jungen Menschen, sein gemütliches Zuhause gegen das Chaos und die Hitze von Vietnams Hauptstadt Hanoi einzutauschen? Christian Nytz hat es getan. Sechs Wochen war er über ein Stipendium für die Sparkassenstiftung für internationale Kooperationen unterwegs. Sein Arbeitgeber, die SV SparkassenVersicherung, stellte ihn für diesen ehrenamtlichen Einsatz frei. Nachfolgend erzählt er seine Geschichte:

6 Wochen lang war ich in Vietnam im Einsatz. Die Sparkassenstiftung kooperiert dort mit der Vietnamesischen Frauenunion (Vietnam Women's Union) und unterstützt diese bei der Bereitstellung von Mikrofinanzprodukten (Kleinstkredite, Sparen, Versicherungen). Die Frauenunion wurde von der Regierung ins Leben gerufen und hat rund 19 Millionen Mitglieder. Der Microinsurance Fund (MIF) ist als Anbieter von Mikroversicherungen Teil dieser Frauenunion. Er bietet seinen Mitgliedern eine Kreditabsicherung für die Darlehen, die ausschließlich die Partnerbank "Tinh Thuong Microfinance Institution" (TYM) verkauft. Meine Hauptaufgabe beim MIF war es, mich über weitere Anbieter von Mikroversicherungen in Vietnam zu informieren, Impulse zur Verbesserung der Außenwirkung des MIF einzubringen und Infobroschüren für die Kundinnen zu entwickeln.

Frauenförderung durch Kleinkredite

Die Trennung der Geschlechter war vor wenigen Generationen typisch für Vietnam und die Rollenverteilung noch sehr "traditionell". So durften früher häufig nur die Jungs zur Schule gehen, während Mädchen im Haushalt helfen mussten. Umso wichtiger finde ich, dass es Organisationen gibt, die gerade die Selbstständigkeit von Frauen fördert. Fragen stellen, gut zuhören, alles zusammenfassen, strukturieren und sich in die fremde Kultur einfühlen, waren meine wichtigsten, ersten Aufgaben.

Versicherungen sind in Vietnam rar - Informationen fehlen

Mein übergeordnetes Ziel: Einen Beitrag dazu leisten, Frauen und Familien Versicherungen zugänglich zu machen. Nur wenige haben dort eine Versicherung oder gar ein Bankkonto. Stirbt die Kreditnehmerin, stehen die Familien neben allem Leid vor einer finanziellen Katastrophe. Die meisten Kredite laufen über 50 Wochen und gehen selten über 300 Euro hinaus. Für die Menschen dort ist dies jedoch sehr viel Geld. Das konnte ich auch daran erkennen, dass eine Frau damit das komplette Studium ihres Sohnes finanzierte - in der Hoffnung, dass er mit einem späteren guten Beruf dies zurückzahlen kann. Die Absicherung der Kreditsumme schützt die ganze Familie. Bislang haben etwa 95.000 Kundinnen die Kreditversicherung in Anspruch genommen - ein Zeichen, dass diese attraktiv ist.

 

Außendarstellung steckte in den Kinderschuhen

 

Zudem sollten neue Produkte, wie eine Kranken- und Risikolebensversicherung, entwickelt und bestehende Versicherungen weiter ausgebaut werden. Dafür sollten auch bessere Informationen bereitgestellt werden. Eine Infobroschüre war ein erster Schritt. Auch die Außendarstellung des MIF steckte noch in den Kinderschuhen. Beispielsweise benötigte man noch ein Logo. Von anderen Mikroversicherungsunternehmen gab es noch kein Infomaterial. Das meiste wussten die MIF-Kollegen nur vereinzelt bzw. "vom Hörensagen".

Gute Lösungen setzen Kenntnisse und Fingerspitzengefühl voraus

 

Um hier Lösungen zu entwickeln, wollte ich mehr über die Versicherungen im Land erfahren. Doch, wie schon erwähnt, gab es nur sehr wenig an Infos dazu. Weder in Papierform noch Digital. Wie sollte ich also an Informationen über andere Anbieter von Mikroversicherungen kommen? Dann galt es herauszufinden, mit welcher Darstellung man die Kundinnen am besten anspricht. Und natürlich auch, welche Produkte sie brauchen und wie diese aussehen sollten. Um all das herauszufinden, habe ich meine Fühler in alle Richtungen ausgestreckt und Recherche gehörte fortan zu meiner wichtigsten Aufgabe. Es folgten intensive Gespräche sowohl mit Vertreterinnen des MIF, TYM, mit der Frauenunion und den Kundinnen selbst.

 

Die Center Meetings waren optimal, um diese Gespräche zu führen. Sie finden regelmäßig wöchentlich bis monatlich in jeder Provinz statt. Ich durfte bei mehreren Meetings dabei sein. Eine sehr wichtige und spannende Erfahrung für mich. Informationen sammeln: Fragen und Zuhören

Dies war wichtig, um gute Lösungen zu erarbeiten. Ich wollte Land und Leute kennenlernen, erfahren, wie die Gesellschaft tickt, wie Prozesse, Strukturen und Familien funktionieren. Ich wollte herausfinden, was ist ähnlich wie in Deutschland - und was unterscheidet uns? Bei den Meetings erfuhr ich viel über das Leben der Frauen: Wie sie leben, was sie beschäftigt und welche Ziele sie haben. Das Familienleben steht sehr im Mittelpunkt. Traditionell managt die Frau die Finanzen. Augenzwinkernd fügte einmal ein Kollege hinzu: Die Frauen sorgen dafür, dass vietnamesische Männer ihr Geld 2 x verdienen. Einmal bei der Arbeit, dann liefern sie das Geld bei ihrer Frau ab und müssen es sich Zuhause nochmals verdienen.

Interessant ist auch, mit was die Frauen Geld verdienen: Die Bandbreite reichte von der Herstellung von Holzpellets, dem Züchten von Nutztieren bis hin zum Verkauf von Obst und Gemüse. Außerdem konnte ich mit Vertretern anderer Anbieter von Mikroversicherungen, beispielsweise mit der Post-Versicherung oder auch mit dem größten Versicherungsunternehmen in Vietnam (Bao Viet), sprechen und kam hier endlich an Informationen über deren Produkte und Arbeitsweise. Damit hatte ich eine gute Basis, um an meiner Aufgabe zu arbeiten.

 

Es funktioniert alles, aber es dauert eben

Interessant ist, wie die Arbeitsweise der Unternehmen von Politik und Kultur geprägt werden. Die stark hierarchischen Strukturen spiegeln sich in den Unternehmen wider. Entscheidungsprozesse dauern extrem lang und einmal getroffene Entscheidungen werden von niemandem mehr hinterfragt. Es funktioniert alles, aber es dauert eben.

Insgesamt war es eine spannende Zeit, die ich in Vietnam verbringen durfte. Ich konnte mein Projekt mit einer fertig erstellten Broschüre und der Recherche zu den Mikroversicherungen abgeben. Persönlich hat sich mein Horizont durch meinen Aufenthalt enorm erweitert. Obwohl ich Asien als Reiseland bereits kannte, war es etwas völlig anderes, dort den Alltag zu erleben, mit Vietnamesen und Philippinos unterwegs zu sein und Freizeit mit ihnen zu verbringen. Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Möglichkeit bekommen habe und kann es nur jedem Kollegen empfehlen. Ich habe ein einfaches Leben kennengelernt, bei dem die Familie im Zentrum steht und an einem Strang zieht. Die Familien halten fest zusammen, kümmern sich liebevoll umeinander. Belohnt wird man mit unglaublich viel Gastfreundschaft und Herzlichkeit sowie mit einer Zufriedenheit der Menschen, die man in unserem vergleichsweisen reichen Land suchen muss. ?